Schwellenländer: Brasiliens BIP im Fokus
Brasilien gilt als die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt. Obwohl das Land 2013 eine Rezession erlebte, zeigte es seitdem moderates Wirtschaftswachstum. Der Dienstleistungssektor ist der größte Beitragende zur brasilianischen Wirtschaft und machte 2022 laut Weltbank 58 % des BIP aus. Landwirtschaft und Industrie spielen ebenfalls bedeutende Rollen für das Wirtschaftswachstum Brasiliens. Trotz einiger Hochphasen wie 2010 bis 2012 lag das durchschnittliche Wachstum Brasiliens in den letzten 35 Jahren unter 3 %.
Grundlagen
Im Jahr 2018 wuchs das BIP Brasiliens nur noch knapp über der 1 %-Marke. Zusätzlich zur Bewältigung mäßigen Wachstums hat das Land einen harten Kampf gegen die negativen Auswirkungen von Korruption geführt, die das Investitionsklima und das Vertrauen privater Investoren beeinträchtigte.
Gleichzeitig belasteten niedrige Rohstoffpreise und schwache Nachfrage die Wirtschaft weiter. Hinzu kamen hoher Inflationsdruck und erhöhte Zinsen, die das wirtschaftliche Umfeld zusätzlich verkomplizierten.
Wachstumspfade
Die Muster des Wirtschaftswachstums in Brasilien waren wechselhaft und pendelten zwischen Phasen starker Zuwächse und zeitweiligen Abschwächungen. Dadurch entstand eine komplexe Wachstumslandschaft, in der trotz einzelner deutlich positiver Perioden das Durchschnittswachstum über den Zeitraum von 35 Jahren seit 1980 unter der 3 %-Marke blieb.
Innerhalb dieser schwankenden Trends erzielte Brasilien dennoch wichtige Erfolge. Besonders die Jahre 2003 bis 2012 brachten anhaltendes Wirtschaftswachstum, verbunden mit einer Verringerung der Armut und einer sichtbaren Einengung der Einkommensunterschiede. Laut Weltbank verbesserte sich die reale Lage der untersten 40 % der Bevölkerung zwischen 2003 und 2014 durchschnittlich um 7,1 %, während das Einkommen der Gesamtbevölkerung um 4,4 % stieg. Die Struktur der brasilianischen Wirtschaft spiegelt den Aufstieg des Dienstleistungssektors wider, der einen beeindruckenden Anteil von 58 % am BIP hält.
Zugleich bildet die Industrie die zweite Säule der Wirtschaft und steuert etwas weniger als ein Fünftel des BIP bei. Die Landwirtschaft macht seit den 1990er-Jahren beständig etwa 5 % des BIP aus.
Agrarsektor
Der Wandel Brasiliens vom Netto-Importeur von Nahrungsmitteln zum bedeutenden Exporteur landwirtschaftlicher Güter ist bemerkenswert. Quantitativ trägt die Landwirtschaft 6,8 % zur Wirtschaft bei, doch ihre Bedeutung geht über reine Zahlen hinaus. Der dynamische Agrarsektor bildet das Fundament für das wachsende Agribusiness und ist ein zentraler Faktor in Brasiliens wirtschaftlicher Entwicklung.
Verschiedene Treiber förderten die Ausweitung und Diversifizierung von Produktion und Exporten in Landwirtschaft und Agrarindustrie. Dazu zählen technologische Fortschritte, agrarwissenschaftliche Forschung, gezielte staatliche Investitionen in die Landwirtschaft sowie die Erschließung neuer Anbaugebiete seit den 1970er-Jahren.
Insbesondere in den 1990er-Jahren und erneut um die Jahrtausendwende kam es zu deutlichen Zuwächsen in der Pflanzen- und Tierproduktion.
Nach der jüngsten Agrarzählung Brasiliens machte der Agrarsektor 2023 über 15 % der Erwerbstätigen aus. Zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Exportgütern zählen Kaffee, Sojabohnen, Zucker, Rindfleisch, Geflügel, Orangensaft und Mais.
Industrie
Die brasilianische Industrie zeichnet sich durch Diversifizierung und zunehmende Spezialisierung aus. Der Höhepunkt der industriellen Expansion fiel mit der Importsubstitutionspolitik zusammen. Zunächst lag der Fokus auf nicht-dauerhaften Konsumgütern, gefolgt von langlebigen Gebrauchsgütern in den 1960er-Jahren. Einen weiteren Schub erhielt die Industrie, als in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre die Einfuhr wichtiger Rohstoffe und Investitionsgüter anstieg.
Die Importsubstitutionsstrategie erreichte Anfang der 1980er-Jahre ihren Gipfel. In der Folgezeit initiierte die Regierung starke Maßnahmen zur weiteren Förderung des Industriesektors. Das industrielle Wachstum war in den 1970er- und 1980er-Jahren am ausgeprägtesten und verlangsamte sich in den 1990er-Jahren.
Heute verfügt Brasilien über eine anspruchsvolle industrielle Struktur mit Raffinerien, Automobilbau, Zementproduktion, Eisen- und Stahlverarbeitung, Chemie- und Luftfahrtindustrie. Ergänzt wird dieses Profil durch die Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion, gestützt durch verfügbare Arbeitskräfte und reichlich Rohstoffe.
Die tägliche Ölproduktion Brasiliens im Jahr 2020 – einschließlich Rohöl, Erdölprodukten und Biokraftstoffen – sicherte dem Land den Rang als achtgrößter Ölproduzent der Welt. In der Folge verringerte sich der Anteil der Industrie am BIP von Mitte der 1980er- bis Mitte der 1990er-Jahre allmählich und hat sich seitdem weitgehend stabilisiert. Das verarbeitende Gewerbe trägt rund 17 % zum BIP bei.
Dominanter Dienstleistungssektor
Die Vormachtstellung des Dienstleistungssektors ist zentral: Er macht nahezu 58 % des BIP aus. Während der Anteil von Landwirtschaft und Industrie im Zeitverlauf zurückging, übernahm der Dienstleistungsbereich die führende Rolle und trägt seit den 1990er-Jahren über 50 % zum BIP bei. Innerhalb dieses Sektors sind Bereiche wie Gastgewerbe, Finanzdienstleistungen, Einzelhandel sowie persönliche und professionelle Dienste etabliert.
Als größter Arbeitgeber nahm die Bedeutung des Dienstleistungssektors stark zu. Der Beschäftigtenanteil lag 2000 bei etwa 62 %, stieg auf 65 % und umfasst heute rund 70 % der Erwerbstätigen. Die Beschäftigung verteilt sich auf Hotellerie, Finanzwesen, Reparaturdienste, Informationstechnologie sowie Verwaltungsstellen auf nationaler und lokaler Ebene, öffentliche Versorgungsunternehmen und spezialisierte Agenturen.
Der Finanzsektor spielt eine herausragende Rolle innerhalb der Dienstleistungen. Die brasilianischen Banken meisterten die Finanzkrise 2008 vergleichsweise gut und sind entscheidend für die Finanzierung großer Bergbau-, Luftfahrt- und Industrieprojekte. Ergänzend leisten Reisen und Tourismus einen wichtigen Beitrag: Ihr direkter Anteil am BIP lag 2021 bei rund 6 %. Darin enthalten sind Umsätze aus Hotels, Reisebüros, Fluggesellschaften, Restaurants und unterstützenden Dienstleistungen.
Fazit
Nach den Herausforderungen und dem Wirtschaftsabschwung von 2014 steht Brasilien vor einer neuen Phase der Erneuerung. Mit vorausschauenden Reformen strebt das Land an, einen günstigen Pfad für künftiges Wachstum zu ebnen. Dazu gehören Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung, zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Förderung robuster Investitionen als zentrale Voraussetzungen für höhere Wachstumsraten in der Zukunft.